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Märchen lesen und erleben
Märchen lesen und erleben

Zwölf Brüder

Es war einmal ein König, der hatte zwölf Kinder, das waren lauter Buben, er wollte auch kein Mädchen haben und sagte zur Königin:

„Wenn das dreizehnte Kind, das du zur Welt bringst, ein Mädchen ist, so lass ich die zwölf andern töten. Ist’s aber auch ein Bube, dann sollen sie alle miteinander leben bleiben.“

Die Königin gedachte es ihm auszureden. Der König wollte aber nichts weiter hören:

„Wenn’s so ist, wie ich gesagt habe, so müssen sie sterben! Lieber hau’ ich ihnen selber den Kopf ab, als dass ein Mädchen darunter wäre.“

Da war die Königin traurig, denn sie hatte ihre Söhne von Herzen lieb und wusste nicht, wie sie zu retten waren. Endlich ging sie zu dem Jüngsten, den sie vor allen lieb hatte und offenbarte ihm, was der König beschlossen, und sagte:

„allerliebstes Kind, geh du mit deinen elf Brüdern hinaus in den Wald. Dort bleibt und kommt nicht nach Haus! Einer von euch aber halte immer Wacht auf einem Baum und sehe nach dem Turm hier. Wenn ich ein Söhnchen zur Welt bringe, will ich obenauf eine weiße Fahne stecken. Ist’s aber ein Töchterchen eine rote und wenn ihr das seht, dann rettet euch. Flieht in die weite Welt, und der liebe Gott behüte euch. Alle Nacht will ich aufstehen und für euch beten. Wenn’s kalt ist im Winter, dass ihr nicht friert und ein warmes Feuer vor euch brennt, und wenn’s heiß ist im Sommer, dass ihr in einem kühlen Walde ruht und schlaft.“

So segnete sie die Kinder und sie gingen fort in den Wald. Oft guckten sie nach dem Turm, und einer musste beständig auf einer hohen Eiche sitzen und Acht haben. Bald auch wurde eine Fahne aufgesteckt. Es war aber nicht die weiße, sondern die rote Blutfahne, die ihnen den Untergang drohte. Wie die Buben sie erblickten, wurden sie alle zornig und riefen:

„Sollen wir eines Mädchens willen das Leben verlieren!“

Da schworen sie zusammen, mitten im Wald zu bleiben und aufzupassen. Wenn sich ein Mädchen sehen ließ, wollten sie es ohne Gnade töten.

Darauf suchten sie sich eine Höhle, wo der Wald am dunkelsten war zum Wohnen. Jeden Morgen zogen elf hinaus auf die Jagd, einer musste aber zu Haus bleiben, kochen und den Haushalt führen. Jedes Mädchen aber, das den Elfen begegnete, war ohne Barmherzigkeit verloren. Das ging viele Jahre.

Das Schwesterlein zu Haus aber ward groß und blieb das einzige Kind. Einmal hatte es große Wäsche, darunter waren auch zwölf Mannshemden.

„Für wen sind denn diese Hemden,“

fragte die Prinzesinn,

“meinem Vater sind sie doch viel zu klein.“

Da erzählte ihr die Wäscherin, dass sie zwölf Brüder gehabt hätte, die wären heimlich fortgegangen. Kein Mensch wisse wohin, weil der König sie habe wollen töten lassen, und diesen zwölf Brüdern gehörten diese zwölf Hemden. Das Schwesterlein verwunderte sich, dass ihm niemals von seinen zwölf Brüdern etwas zu Ohren gekommen war und wie es Nachmittags auf der Wiese saß und die Wäsche bleichte, da fielen ihm die Worte der Wäscherin wieder ein und es ward nachdenklich. Endlich stieg es auf, nahm die zwölf Hemden und ging in den Wald hinein, wo seine Brüder lebten.

Das Schwesterlein kam gerade zu der Höhle, wo sie ihre Wohnung hatten. Die Elf waren auf der Jagd und nur ein einziger daheim, der kochen musste. Wie der das Mädchen erblickte, fasste er es gleich und holte sein Schwert:

„Knie nieder, dein rotes Blut muss den Augenblick fließen.“

Das Mädchen aber bat ihn:

„Lieber Herr, lasst mich leben, ich will bei euch bleiben und euch redlich dienen. Ich will kochen und den Haushalt führen.“

Es war gerade der jüngste Bruder, den erbarmte die Schönheit des Mädchens und er schenkte ihr das Leben. Wie die Elfe nach Haus kamen und sich verwunderten, ein Mädchen lebendig in der Höhle zu finden, sagte er zu ihnen:

„Liebe Brüder, dies Mädchen ist in die Höhle gekommen und wie ich es niederhauen wollte, da bat es so sehr um sein Leben, es wollt uns treu dienen und den Haushalt führen, dass ich’s ihm geschenkt habe.“

Die andern gedachten, dass ihnen das vorteilhaft wäre und dass sie nun alle zwölf auf die Jagd ausgehen könnten, und waren zufrieden. Da zeigte es ihnen die zwölf Hemden und sagte, es wär’ ihre Schwester. Darüber freuten sie sich alle sehr und sie waren froh, dass sie es nicht getötet hatten.

Das Schwesterlein übernahm nun den Haushalt und wenn die Brüder auf der Jagd waren, sammelte es Holz und Kräuter, stellte zum Feuer, deckte die Bettlein hübsch rein und weiß, und tat alles unverdrossen und fleißig. Einmal geschah es doch, dass es fertig war mit aller Arbeit und im Wald spazieren ging. Da kam es an einen Platz, wo zwölf schöne hohe, weiße Lilien standen, und weil sie ihr so wohl gefielen, brach sie alle miteinander ab. Kaum aber war das geschehen, so stand eine alte Frau vor ihr:

„Ach meine Tochter,“

sagte sie,

„warum hast du die zwölf Studentenblumen nicht stehen lassen! Das sind deine zwölf Brüder, die sind nun alle in Raben verwandelt worden und sind verloren auf ewig.“

Das Schwesterlein fing an zu weinen,

„ach!“

sagte es,

„gibt’s denn kein Mittel sie zu erlösen?“
„Nein, es ist kein Mittel auf der Welt. Als ein einziges, das ist so schwer, dass du sie nicht damit befreien wirst. Du musst zwölf ganze Jahr stumm sein - sprichst du auch ein einziges Wort und es fehlt nur eine Stunde daran, so ist alles umsonst und deine Brüder sind in dem Augenblick tot.“

Das Schwesterlein setzte sich da auf einen hohen Baum im Wald und spann und wollte zwölf Jahre stumm sitzen, um seine Brüder zu erlösen.

Es geschah aber, dass der König auf einer Jagd durch den Wald ritt, und als er an dem Baum vorbei kam, stand sein Hund still und bellte. Der König hielt nun, sah hinauf und war ganz verwundert über die Schönheit der Prinzessin. Er rief ihr zu, ob sie seine Gemahlin werden wollte. Sie schwieg aber still und nickte nur ein wenig mit dem Kopf. Da stieg der König selber hinauf und hob sie herunter, setzte sie vor sich auf sein Pferd und brachte sie Heim in sein Schloss, wo die Hochzeit prächtig gehalten ward.

Die Prinzessin sprach aber niemals ein Wort und der König glaubte sie sei stumm. Doch hätten sie vergnügt mit einander gelebt, wenn nicht die Mutter des Königs gewesen wäre, die fing an die Königin bei ihrem Sohn zu verleumden:

„Es ist ein gemeines Bettelmädchen, das du aus der Fremde mitgebracht hast, die hinter deinem Rücken die schändlichsten Dinge treibt.“

Weil die Königin sich nun nicht verteidigen konnte, ließ sich der König verführen und glaubte ihr endlich und verurteilte sie zum Tod. Da ward ein großes Feuer angemacht im Hof, darin sollte sie verbrannt werden. Schon stand sie in den Flammen und die spielten an ihrem Kleidchen.

Da war eben die letzte Minute von den zwölf Jahren verflossen, man hörte in der Luft ein Geräusch und es kamen zwölf Raben hergeflogen und ließen sich nieder. Wie sie die Erde berührten, waren es zwölf schöne Prinzen, die rissen das Feuer auseinander und führten ihre Schwester heraus. Da sprach sie ihr erstes Wort wieder und sagte dem König, wie es zugegangen und sie ihre zwölf Brüder habe erlösen müssen. Da waren alle vergnügt, dass es so wohl geworden war.

Was sollten sie mit der bösen Stiefmutter anfangen. Sie ward in ein Fass gesteckt von siedendem Öl und von giftigen Schlangen angefüllt und starb da eines bösen Todes.